von Kay » 23.11.2007, 13:29
Handball Bestandsaufnahme beim HSV
Noch nicht reif für den Titel?
Trotz fehlender Stabilität sollen vorerst keine neuen Spieler gekauft werden.
Von Rainer Grünberg
Hamburg -
Andreas Rudolph und Martin Schwalb hatten sich einen Ort gesucht, an dem sie glaubten, unbeobachtet diskutieren zu können. Im Halbdunkeln des unteren Rundlaufs der Color-Line-Arena versuchten Präsident und Trainer das enttäuschende 26:26 des HSV gegen den TBV Lemgo in der Handball-Bundesliga aufzuarbeiten. Fazit des 20-minütigen Gesprächs: "Die Mannschaft ist nicht stabil genug. Wir bringen uns zu oft in kritische Situationen", sagte Schwalb. Aus der Erkenntnis sollen vorerst keine personellen Schlussfolgerungen gezogen werden. Neue Profis sind kein Thema, allein für den vorzeitigen Wechsel des Spielmachers Oleg Velyky (Rhein Neckar Löwen; Vertrag ab Juli 2008) würde Rudolph noch mal in die eigene Kasse greifen.
Wie schwer der vierte - unnötige - Punktverlust in dieser Saison vor heimischem Publikum im Meisterschaftskampf ins Kontor haut, mochte auch am Tag danach niemand abschätzen. "Fest steht nur", sagte Sportchef Christian Fitzek, "wir sind momentan nicht in der Verfassung, in der ein Titelkandidat spielen sollte." Vor allem sollte eine Mannschaft, die Meister werden will, nicht sechs von sieben Siebenmetern verwerfen. "Genau das", sagt Martin Schwalb, "ist aber dem THW Kiel bei seiner 30:31-Niederlage gegen uns auch passiert. Daraus lässt sich also nichts ableiten."
Allgemeingültiger wird da Fitzeks Beobachtung, "dass unsere Mannschaft sehr stark als Kollektiv funktioniert. Greift dann einmal ein Rädchen nicht ins andere, zerbröselt gleich das gesamte Zusammenspiel. Wir sind im Gegensatz zum THW Kiel derzeit nicht in der Lage, solche Schwächephasen durch herausragende individuelle Leistungen zu kompensieren." Der Mann für diese Fälle, der Koreaner Kyung-Shin Yoon, hatte gegen Lemgo an drei vergebenen Siebenmetern zu knappern. "So etwas ist mir noch nie passiert", gestand Yoon. "Wir werfen zu wenig leichte Tore", sagt Fitzek, "wir müssen uns die Treffer schwer erarbeiten. Das gelingt uns zwar immer besser, aber immer noch nicht oft genug."
Der wachsende Druck, auch von den eigenen Erwartungen erzeugt, die Vielzahl der Spiele, eine gewisse Müdigkeit, die auch bei anderen Klubs zu beobachten sei, meint Schwalb, seien weitere Faktoren, die auf seinen Spielern lasten. "Dennoch lasse ich mir unsere bisherigen Erfolge nicht kaputtreden. Wir sind eine Spitzenmannschaft, wir sind aber nicht die Spitzenmannschaft", sagt der Trainer. Vielleicht aber hätten einige das Erreichte als zu selbstverständlich akzeptiert. "Auch wenn es wehtut, wir sind nur erfolgreich, wenn wir in jedem Spiel alles geben", sagt Fitzek.
Ob der HSV in dieser Saison reif für den deutschen Titel ist, den sich Präsident Rudolph so sehnlich wünscht, wird die Rückrunde zeigen. Die Hamburger müssen auswärts bei allen Spitzenmannschaften antreten, nur der THW Kiel gastiert 2008 in der Color-Line-Arena. Vor die Rückrunde hat der Spielplan Ende Januar die Europameisterschaft in Norwegen gesetzt. Martin Schwalb sagt: "Wenn da alles gesund rauskommen, ist im nächsten Jahr alles möglich."
erschienen am 23. November 2007
Liebe SG, die Hauptsache am Wind: immer eine Handbreit Wasser über Kiel.