von Kay » 11.06.2008, 09:50
Niederlande Der Europameister von 1988 begeistert gegen Weltmeister Italien - und will nun mehr
"Sieg ist Gold wert - auf dem Weg zum Titel"
Trotz geringer Erwartungen im Vorfeld überzeugt das Team von Marco van Basten und träumt plötzlich vom Finale.
Von Marcus Scholz
Hamburg/Wien -
Rund 1000 Oranje-Fans haben die niederländische Nationalmannschaft am Tag nach dem 3:0-Sieg über Weltmeister Italien im gestrigen Training begeistert gefeiert. "Holland ist zurück!" und "Wir fahren nach Wien!" skandierten die Anhänger bei der Übungseinheit im EM-Quartier des Teams in Lausanne und bejubelten jede Aktion ihrer Mannschaft. Die "Elftal", deren Spiel gegen Italien die Zeitung "de Volkskrant" gar als "niederländische Ausgabe des Wunders von Bern" feierte, präsentierte sich gutgelaunt 90 Minuten der Öffentlichkeit. "Was hier passiert, ist ein Traum", schwang sich HSV-Mannschaftskapitän Rafael van der Vaart zu großen Tönen auf, "besser kann man nicht Fußball spielen. Das war das beste Länderspiel, seit ich für die Niederlande auflaufe." Und während die italienische Presse die sofortige Ablösung ihres Nationaltrainers Roberto Donadoni fordert, wird sein niederländischer Kollege Marco van Basten - nach heftiger Kritik im Vorfeld - gefeiert. Selbst Hollands Fußballidol Johan Cruyff, der sich mit dem Bondscoach heftige Meinungsverschiedenheiten erlaubt hatte, kündigte, versöhnlich gestimmt, an, sich mit van Basten aussprechen zu wollen.
Auch weil sich umstrittene Entscheidungen mit dem sensationellen Erfolg über Italien als effektiv bewiesen haben. Wie bei Khalid Boulahrouz. Aus dem vorläufigen EM-Kader gestrichen, rückte der ehemalige HSV-Verteidiger, der zuvor wegen Verletzungen knapp sechs Monate kein Spiel absolvieren konnte, kurz vor Turnierbeginn für den angeschlagenen Angreifer Ryan Babel nach - und spielte gegen Italien von Beginn an. "Ich bin sehr zufrieden", sagte Boulahrouz, "mit der Mannschaft, dem Turnierstart und mir. Denn in so einer Gruppe, die nicht umsonst Todesgruppe genannt wird, mit einem Sieg zu starten, ist Gold wert. Auch für uns - auf unserem Weg zum EM-Titel." Dass der möglich ist, daran glauben inzwischen Experten wie Spieler. "Wenn man gegen Italien 3:0 gewinnt, ist man automatisch Favorit", wagt sich der neben van der Vaart und Nigel de Jong dritte siegreiche HSV-Niederländer, Verteidiger Joris Mathijsen, weit vor. Der überragende Mann, Vorbereiter und Torschütze, Wesley Snijder von Real Madrid, mahnte allerdings: "Das war das wichtigste Spiel in dieser Gruppe. Wir haben Ziele, wir wollen das Finale erreichen und dürfen deshalb jetzt nicht nachlassen."
Das dürfen die Italiener noch weniger. "Wenn wir das nächste Spiel verlieren, sind wir draußen", schimpfte Luca Toni. Der Angreifer des deutschen Meisters Bayern München musste sich wie seine Teamkollegen nach der ersten Niederlage für ein italienisches Team bei einem EM-Auftakt, der zudem höchsten bei einer EM, den Spott der einheimischen Medien und Fans gefallen lassen. Und das, obwohl der ohnehin umstrittene Coach Donadoni als Blitzableiter herhalten musste. "Es war eine schwarze Nacht für unseren Fußball", räumte Italiens Nationaltrainer ein. Zwar versprach er kämpferisch, gegen Rumänien "das wahre Gesicht der Mannschaft zeigen" zu wollen, doch inzwischen wurden nach der Kritik der eigenen Spieler (Andrea Pirlo: "Die Wechsel hätten früher kommen müssen") auch Rufe nach einem Comeback von Donadonis Vorgänger Marcello Lippi laut. "Gebt uns Lippi zurück", forderte beispielsweise "Tuttosport".
Liebe SG, die Hauptsache am Wind: immer eine Handbreit Wasser über Kiel.