von Kay » 21.12.2007, 11:22
Ottmar Hitzfeld wird wohl die Bayern Richtung Schweiz verlassen. Einer wie er muss sich nicht u.v.a. die ätzende Polemik von Kalle Rummennigge, Fußball sei keine Mathematik, bieten lassen. Nebenbei: Hitzfeld ist Mathematik-Lehrer von Beruf.
OTTMAR HITZFELD
Mit Vollgas in die Schweiz
Von Jörg Schallenberg
Ottmar Hitzfeld wird den FC Bayern zum Saisonende verlassen - das hat der Coach nach dem 6:0 gegen Aris Saloniki unmissverständlich angedeutet. Die Entscheidung wäre konsequent, denn der einstige Starcoach passt nicht mehr zur Mannschaft.
Die Lage beim FC Bayern München ließ sich gestern bis 20.45 Uhr so beschreiben: Würde der Club gegen Aris Saloniki verlieren und aus dem Uefa-Cup ausscheiden, dann müsste Trainer Ottmar Hitzfeld möglicherweise gar nicht mehr aus dem Weihnachtsurlaub in Lörrach nach München an die Säbener Straße zurückkehren. Bei einem Unentschieden oder knappem Sieg mit miesem Spiel dürfte er vielleicht nach der Winterpause nicht mehr auf der Trainerbank neben Uli Hoeneß Platz nehmen. Im Falle eines, sagen wir mal, 6:0-Kantersieges wäre sein Job bis zum Saisonende gesichert.
Der weitere Verlauf des Abends ist bekannt, ungeklärt bleibt nur, ob sich Hitzfeld nach dem Spiel persönlich beim griechischen Torwart Konstantinos Chalkias bedankt hat. Denn der sorgte mit seinen unglaublichen Fehlern dafür, dass der Bayern-Coach vorläufig die Initiative des Handelns und des Redens behält. Was Hitzfeld dann auch prompt ausnutzte – so, wie man es vom scheinbar immer beherrschten, immer zurückhaltenden, immer dem Verein gegenüber loyalen Edelmann bislang nicht kannte.
Bereits vor dem Spiel hatte der 58-Jährige in einem Interview deutliche Signale in Richtung des Schweizer Fußballverbandes gesandt, der ihn nach der Europameisterschaft 2008 als Trainer der Nationalmannschaft beschäftigen will. Nachdem sein Stürmer Luca Toni dann jeden Ball ins Netz gestupst hatte, der ihm im Fünfmeterraum vor die Füße fiel, schaffte Hitzfeld flugs Fakten, ehe der schöne Jahresausklang seiner Mannschaft wieder vergessen ist.
"Natürlich weiß ich schon, wie meine Zukunft aussehen wird", teilte er mit – um seinen Vorgesetzten dann einen schönen Weihnachtsgruß hinterherzuschicken: "Aber ich werde den Bayern meine Entscheidung erst Ende Januar mitteilen." Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie weit sich Manager Uli Hoeneß, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Hitzfeld in den vergangenen Monaten voneinander entfernt haben – bitte, hier ist er. Wie der Trainer sich die weitere Zusammenarbeit vorstellt, gab er auch gleich bekannt: "Mein Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2008, die Rückrunde werde ich auf jeden Fall bei Bayern sein und ich werde Vollgas geben, um noch den einen oder anderen Titel zu holen." Danach, so kann man unschwer zwischen den Zeilen lesen, wird Hitzfeld gehen.
Nun entlässt der FC Bayern ohnehin selten einen Trainer während der laufenden Saison, und möglicherweise herrscht längst die stillschweigende Übereinkunft, Hitzfeld wie 2004 bis zum Ende der Spielzeit werkeln zu lassen, um sich dann würdevoll – und endgültig – voneinander verabschieden zu können. Falls Hoeneß und Rummenigge das nicht so sehen, liegt der Schwarze Peter nun bei Ihnen.
Eine schnelle Trennung von Hitzfeld wäre nun schwer zu vermitteln, da der klare Erfolg gegen Saloniki die bislang vielseitig interpretierbare Bayern-Bilanz der Hinrunde in einem milden Licht glänzen lässt. Erster in der Bundesliga, Gruppensieger im Uefa-Cup und noch im DFB-Pokal vertreten – was soll man Hitzfeld da eigentlich vorwerfen? Mal abgesehen davon, dass sich die Mannschaft auch gegen Saloniki noch lange nicht gefunden zu haben schien, dass immer wieder Einzelleistungen herhalten mussten, um wichtige Spiele zu gewinnen, dass die Konkurrenz in der Bundesliga auch ohne Fernglas bestens zu erkennen ist, dass man nicht in der Lage ist, biedere Kollektive wie Roter Stern Belgrad, die Bolton Wanderers, den MSV Duisburg oder Hertha BSC mal auszuspielen.
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Wer soll den FC Bayern trainieren?
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von Mittelfeldmotor
Der entscheidende Fehler, der zu dieser Entwicklung führte, unterlief Hoeneß und Rummenigge aber schon Ende Januar. Da wurde Felix Magath voreilig rausgeworfen , ohne dass man sich klar darüber war, welchen Trainer die völlig neue geplante Mannschaft mit Stars wie Toni, Franck Ribéry und Miroslav Klose brauchen würde. Hitzfeld war die vermeintlich sichere Wahl. Den kennt man, der macht nix kaputt. Doch er brachte den Club auch kein Stück vorwärts. Als Magath ging, war der FC Bayern Tabellenvierter der Bundesliga mit sieben Punkten Rückstand auf Platz eins und war noch in der Champions League vertreten. Mit Hitzfeld landete man am Ende der Saison ebenfalls auf Platz vier und wies zehn Punkte Abstand auf den Meister VfB Stuttgart auf. Einem Erfolg gegen Real Madrid (2:3 und 2:1) im Europacup folgte der übliche Rauswurf gegen den AC Mailand (2:2 auswärts, 0:2 zuhause), den Magath 2006 mit 1:1 und 1:4 ähnlich unsouverän hinbekam.
Dass die Mannschaft in dieser Saison recht unsicher wirkt, obwohl sie bislang auf keinen Gegner von europäischem Topformat getroffen ist und sich die Bundesligakonkurrenz gewohnt zahm zeigt, liegt natürlich daran, dass sich die neu zusammengestellte Mannschaft erst noch finden muss. Hitzfelds Aufgabe wäre es, eine klare Struktur und Hierarchie zu finden, in der auch Edelreservisten wie Lukas Podolski und Jan Schlaudraff ihre Rolle finden. Doch das gelingt dem Trainer nicht, dessen Mannschaften immer dann am besten waren, wenn inmitten einer Ansammlung selbstbewusster Stars ein völlig unumstrittener Leitwolf auf dem Platz regierte: Matthias Sammer bei Borussia Dortmund, Stefan Effenberg beim FC Bayern.
Einen solchen "Leader", wie Hitzfeld, sagen würde, besitzen die Bayern aber nicht, und der Blick auf die Spitzenteams Europas zeigt, dass das Führerprinzip ohnehin ausgedient hat. Auch deswegen wird Hitzfeld München verlassen. Zurück bleiben Hoeneß und Rummenigge, die im Januar 2008 vor der gleichen Frage stehen wie im Januar 2007: Wer soll diese Mannschaft bloß trainieren? Ein junger Konzepttrainer ohne große Erfahrung, aber mit einem klaren Plan - oder ein international arrivierter Coach mit reichlich Routine im Umgang mit Stars? Einer wie Hitzfeld also.
Mit Material vom sid
Liebe SG, die Hauptsache am Wind: immer eine Handbreit Wasser über Kiel.