https://www.shz.de/sport/handball/sg-fl ... 20482.htmlDIERK SCHMÄSCHKE IM INTERVIEW
SG Flensburg-Handewitt ist Meister und „perspektivisch unglaublich stark“
Der Geschäftsführer erklärt im Interview den Erfolg der SG Flensburg-Handewitt und wie es mit der Mannschaft weitergeht.
Flensburg | Seit fast 41 Jahren ist der gebürtige Niebüller Dierk Schmäschke mit der SG verbunden: Erst als Linksaußen (308 Spiele), dann von 1990 bis zunächst 2003 im Management.
Nach einem sehr erfolgreichen Abstecher nach Hamburg kam der dienstälteste Manager der Handball-Bundesliga 2011 zurück und die bisher beste Ära der SG begann.
Im Gespräch mit Jan Wrege und Jannik Schappert blickt der Geschäftsführer, der seit 2007 auch Vizepräsident der Vereinigung der europäischen Handballclubs (FCH) ist, zurück und voraus.
2011 sind Sie nach acht Jahren beim HSV Hamburg zur alten Liebe SG Flensburg-Handewitt zurückgekehrt. Jetzt sind wieder acht Jahre um und zwar besonders erfolgreiche. Hatten Sie diese Entwicklung erwartet?
Von 2005 bis 2011 hatte die SG keinen Titel gewonnen. Es war also das erste Ziel, wieder Titel zu holen. Dass daraus der Gewinn der Champions League, zwei deutsche Meisterschaften, ein DHB-Pokal, ein Europacup der Pokalsieger und ein Supercup wurden, ist absolut überragend. Es wäre etwas vermessen gewesen, das 2011 so zu erwarten. Auch, wenn unter Trainer Ljubomir Vranjes damals gerade ein sportlicher Aufschwung begonnen hatte und es wirtschaftlich in kleinen Schritten schon wieder voran ging.
Mal die Bescheidenheit beiseite: Welchen Anteil schreiben Sie sich an diesen Erfolgen zu?
Bescheidenheit ist eine gute Tugend – ich bin stolz auf das Geleistete, bei aller Bescheidenheit! Ich werde nicht jünger und wenn ich zurückblicke, ist es überall, wo ich gewesen bin, recht erfolgreich gelaufen. Da scheint also ein Teil meiner Arbeit drinzustecken. Natürlich ist das alles nur im Team zu erreichen. Das fängt bei der Geschäftsstelle an und man muss ein richtig gutes Verhältnis zum Trainer haben. Glaubwürdigkeit spielt insbesondere für Spieler eine große Rolle. Dazu braucht man die Rückendeckung durch das Umfeld. Das alles funktioniert bei der SG super.
Sind die Erfolge der letzten Jahre noch immer als außergewöhnlich anzusehen oder ist das Fundament inzwischen so solide, dass man mehr erwarten darf?
Das sportliche Fundament ist sehr solide. Von außen bekommen wir viel Respekt dafür, wie wir Mannschaften zusammenstellen. Dass zum Beispiel Lasse Möller zu uns kommt und nicht nach Paris oder Barcelona geht, spricht für unseren guten Ruf in der Handballszene, auch wenn wir finanziell nicht immer mithalten können. Wir können weiter viel erwarten.
Wir haben die Erfahrung von Lasse Svan, Michal Jurecki, Jim Gottfridsson, Benjamin Buric, Hampus Wanne, Magnus Jöndal. Die jüngeren Spieler sind noch nicht am Ende ihrer Entwicklung, nächstes Jahr kommen Lasse Möller und Franz Semper. Perspektivisch ist das eine unglaublich starke Mannschaft.
Wie steht die SG heute wirtschaftlich da?
Die SG stand wirtschaftlich schon immer gut da, weil wir Gesellschafter und Sponsoren haben, die voll und ganz hinter der SG stehen und immer eingesprungen sind, wenn es mal eng wurde. Wir haben uns aber auch weiterentwickelt. Wir haben eine kleine, aber effektive Geschäftsstelle mit tollen jungen Mitarbeitern und mit Nils Geisler einen erfahrenen Büroleiter. Wir erfahren viel Rückendeckung durch tolle Partner aus der Region – stellvertretend für alle erwähne ich Nord-Schrott oder Jacob Cement. Aber wir haben auch viel neues Know-how zum Beispiel durch Jysk oder Danfoss dazubekommen. Trotzdem bleibe ich aus Erfahrung vorsichtig – im Sport kann sich alles immer sehr schnell ändern.
Wie sehr stärkt die Meisterschaft die Marke SG Flensburg-Handewitt?
Den größten Schub hat die Champions League gebracht. Das ist jetzt auch schon etwas her, aber wir sind und bleiben der Sieger von 2014 – das habe ich gerade auch wieder beim Final4 in Köln erlebt. Damit zählen wir zu den großen Vereinen in Europa. Die Deutsche Meisterschaft ist mehr die Bestätigung des hohen Niveaus, das wir erreicht haben und ist unglaublich hoch zu bewerten, was Kontinuität, Qualität und Image betrifft. Das macht Eindruck, das öffnet die eine oder andere Tür. Auch unsere acht WM-Finalisten tragen übrigens dazu bei, unseren Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Unter Trainer Vranjes wurden schon große Erfolge gefeiert. Man hat aber das Gefühl, dass Maik Machulla die SG nochmal auf ein höheres Level gehoben hat.
Das sehe ich auch so. Maik arbeitet anders mit den Spielern. Er ordnet sich ein, aber alle wissen: Er ist der absolute Chef. Er gibt den Spielern viel Raum, beschäftigt sich intensiv mit jedem. Maik kommuniziert sehr offen mit der Mannschaft und auch mit mir – wir stimmen uns täglich ab. Und er hat mit Mark Bult den idealen Co-Trainer. Maik passt perfekt zur SG und lebt sie jeden Tag.
Erklären Sie uns das Scouting der SG, das zuletzt ja sensationell funktioniert hat.
Die SG war schon immer gut, was das richtige Scouting angeht. Über die Jahre hat sich ein gutes Händchen entwickelt. Man spürt einfach, wer zu uns passt. Wir haben mit unseren ehemaligen Spielern und Trainern ein Netzwerk, das uns sehr hilft. Glenn Solberg gehört zum Kompetenzteam mit den beiden Trainern, Athletikcoach Michael Döring und mir. Hier stimmen wir uns ab, die letzte Entscheidung treffen dann der Beirat und ich.
Sie sind lange im Geschäft. Wie haben sich die Umstände von Transfers verändert?
Man muss immer früher Spieler beobachten und Kontakte knüpfen. Auch wir müssen mittlerweile im Voraus verpflichten wie gerade bei Lasse Möller und Franz Semper, die erst 2020 kommen. Wir haben es erlebt, dass Anfragen für Spieler kamen, die ihren Vertrag bei uns noch gar nicht angetreten hatten.
Ab 2020 könnte es noch mehr Bewegung geben, wenn mit dem neuen Fernsehvertrag mehr Geld in den Handball kommt – 520 Millionen über zehn Jahre.
Dierk Schmäschke
Was wird davon bei der SG ankommen?
Das steht noch nicht fest. Das Geld wird zum Teil auch erfolgsabhängig unter den Teilnehmern an Champions und Europa League verteilt werden. Final entschieden wird das im Sommer. Aber fest steht jetzt schon, dass in der Champions League und in der neuen Europaliga, die an die Stelle des EHF-Cups tritt, deutlich mehr Geld an die Vereine ausgeschüttet wird. Dafür haben wir auf Ebene aller europäischen Clubs lange gekämpft.
Aber es könnte ein Betrag sein, mit dem man eine Spielerstelle finanzieren kann – so als Hausnummer?
Das könnte man so sagen.
Sie haben gerade frühzeitig den Vertrag von Göran Johannessen verlängert. Man hörte, dass er von Paris heftig umworben wurde?
Fast alle Spitzenvereine in Europa waren an Göran interessiert. Wir haben das Glück gehabt, dass wir in den vergangenen Jahren Spieler verpflichtet haben, die sich zur Weltklasse entwickelt haben oder auf dem Weg dahin sind. So schön das ist – es ist auch eine Gefahr, wegen der wir hellwach sein müssen und uns deshalb bemühen, Verträge rechtzeitig zu verlängern.
Herrscht in Sachen Hampus Wanne, um den es ja auch Wechselgerüchte gegeben hatte, eigentlich Ruhe? Mit Magnus Jöndal hat er ja wieder mächtig Konkurrenz bekommen.
Da ist totale Ruhe. Die beiden Linksaußen kommen super miteinander klar. Sie merken ja auch, dass sie durch die Arbeitsteilung frischer und fitter sind über die Saison.
Die nächste Saison wird die SG mit einem 15-köpfigen Kader bestreiten. Reicht das oder wird sich da noch etwas tun?
Es wird reichen. Außerdem wird Linkshänder Niels Versteijnen aus der A-Jugend, die gerade deutscher Meister geworden ist, einen Vertrag bekommen. Er wird noch überwiegend im Juniorteam spielen, das möglichst wieder in die 3. Liga zurückkehren soll. Er soll aber an die Bundesligamannschaft herangeführt werden.
Gibt es eine Chance, Lasse Möller vorher zu bekommen?
Das wird aller Voraussicht nach nicht passieren. Es ist mit GOG Gudme so besprochen, dass er 2020 wechselt. Auch Lasse Möller selbst will noch ein Jahr in Dänemark spielen, weil er sich noch nicht ganz fertig für die Bundesliga fühlt und sich physisch noch weiterentwickeln will.
Holger Glandorf wird seine letzte Saison als Spieler bestreiten. Gibt es Pläne für eine weitere Zusammenarbeit ab Sommer 2020?
Holger wird der SG auf jeden Fall erhalten bleiben. Es gibt noch keine konkrete Stellenbeschreibung, aber er wird in der Geschäftsstelle tätig werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Glandorf ist ein großer Name im Handball und er hat eine gute Ausbildung.
Vielleicht ein möglicher Nachfolger von Dierk Schmäschke, der kürzlich 61 Jahre alt geworden ist?
Schönen Dank für den Hinweis auf mein Alter. Ich werde noch einige Jahre Geschäftsführer bleiben. Was danach kommt, habe ich nicht alleine zu entscheiden. Es ist aber immer gut und verantwortungsbewusst – im Sinne der SG – sich frühzeitig Gedanken zu machen.
– Quelle:
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