von Kay » 05.06.2014, 12:22
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Mit freundlicher Genehmigung durch die SZ: Dienstag, 3. Juni 2014
Zum Teufel mit den Dämonen
Durch den Gewinn der Champions League schließt Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes mit der Vergangenheit ab.
Die Zukunft beschert ihm den Aufbau einer neuen Mannschaft – und wohl auch einige interessante Angebote
von ulrich hartmann
Köln/Flensburg–Manchmal verfolgen einen die Dämonen der Vergangenheit ein Leben lang. Manchmal kann man sie vertreiben. Am Sonntag hat Ljubomir Vranjes seine Dämonen zum Teufel gejagt. Zumindest jene aus dem Handball. Es ist sieben Jahre her, dass Vranjes als Spielmacher der SG Flensburg-Handewitt im Finale der europäischen Champions League gestanden hat. Damals wurde dieser Titel nochmit Hin- und Rückspiel ausgefochten. Beim 28:28 in Flensburg war Vranjes gesperrt, aber bei der 27:29-Niederlage eine Woche später in Kiel war der serbischstämmige Schwede dabei. Die Krone des europäischen Handballs war greifbar, als die Kieler sie ihm vor der Nase wegschnappten. Es war damals der erste Triumph für Kiel und das zweite Champions- League-Drama für Flensburg. 2004 hatten sie das Finale gegen Celje verloren. Vranjes’ Dämonen wurden lauter, als zwei Jahre später der Verdacht aufkam, zumindest das Rückspiel jenes Champions- League-Finals könnte durch Schiedsrichter- Bestechung entschieden worden sein. 2011 begann am Kieler Landgericht ein Prozess gegen den vormaligen THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker. Wie würde sich das Gefühl verändern, wenn die Krone des Handballs nicht regulär verloren worden wäre, sondern kriminell? Schwenker wurde freigesprochen, aber die Dämonen von 2007 quälten Vranjes weiter. Am Sonntagabend waren sie verschwunden. Verbannt. Exorziert. „Ich habe oft an 2007 gedacht, besonders vor dem Final-Wochenende“, sagte der seit 2010 als Trainer der SG Flensburg-Handewitt tätige Vranjes. Er grinste und musste überlegen, wie man am besten formuliert, dass der unglaubliche 30:28-Sieg im Champions- League-Finale gegen den THW Kiel sieben Jahre nach den Ereignissen von 2007 eine umfängliche Rehabilitation bedeutete, eine Genugtuung und eine Form der späten Rache. Doch so spricht der nette Herr Vranjes nicht. „Ich bin“, schloss er seine Gedanken, „jetzt ein bisschen ruhiger im Kopf.“
Im 20. Europapokaljahr nacheinander, bei der dritten Champions-League-Finalteilnahme und zehn Jahre nach dem bislang einzigen Meistertitel 2004 ist die
SG Flensburg-Handewitt am Sonntag in Köln vor 19 000 Zuschauern auf den Thron des europäischen Klubhandballs gestiegen. Es ist, als habe sich jemand diese Konstellation zum rechten Zeitpunkt ausgedacht. Im Halbfinale am Samstag holten die Flensburger in den letzten acht Minuten einen Sechs-Tore-Rückstand gegen den FC Barcelona auf und im Endspiel am Sonntag einen Sechs-Tore-Rückstand in der ersten Halbzeit gegen Kiel. Zweimal an einem Wochenende trat Flensburg binnen weniger Minuten aus dem Schatten der beiden bedeutendsten Handballklubs der Gegenwart, um diese am Ende zu besiegen.
Doch das war nur ein Triumph für den Moment. Nicht mehr als ein Augenblick. Flensburg wird weiter im Windschatten des THW Kiel spielen müssen. Vielleicht
verlieren sie sogar schon bald ihren Trainer Ljubomir Vranjes an den 80 Kilometer weiter südlich beheimateten Nachbarn. Das Geld sitzt lockerer bei den Kielern. Geschätzte neun Millionen Euro geben sie in einer Saison aus, etwa drei Millionen mehr als die Flensburger. Dieser Nachteil kann nicht einmal durch einen Champions- League-Triumph getilgt werden. Sören Rasmussen und Michael Knudsen wechseln nach Silkeborg in Dänemark. Olafur Gustafsson geht nach Aalborg, Steffen Weinhold nach Kiel. „Wir werden in der nächsten Saison eine junge Mannschaft haben“, sagt Vranjes, „aber das macht nichts, solche Situationen haben wir auch früher schon bewältigt.“
Vranjes besitzt einen Vertrag bis 2017. Genau wie Kiels Trainer Alfred Gislason beimTHW. Aber es muss ja nicht Kiel sein. Vranjes ist erst 40, er denkt wie ein Spielmacher, malt in Auszeiten detaillierte Spielzüge auf eine Tafel, spricht Serbisch, Schwedisch und Deutsch und fotografiert so gern und gut, dass er auch die Spielerportraits anfertigen könnte. Als Aktiver war er mit Schweden Weltmeister (1999) und drei Mal Europameister. Als Trainer hat er nun den Außenseiter Flensburg zum Champions-League-Titel geführt. Bessere Referenzen kann man in diesem Alter kaum haben. Auch der Scheich-Klub Paris St. Germain soll an ihm interessiert sein.
„So ein großer Titel war für die SG mal wieder notwendig“, findet Manager Schmäschke.
Vranjes mochte am Sonntag und am Montag nicht über seine Zukunft sprechen. Er sagte, er fühle sich leer, und mit einer solchen Leere verbrachten die Flensburger die triumphale Nacht idealerweise zur Flüssigkeitsaufnahme im Kölner Club „Flamingo Royal“ – zumal der Rückflug (gemeinsam mit den Kielern) erst am Montagmorgen von Köln/Bonn nach Hamburg ging. „Ein Dank an Lubo und die Mannschaft“, sagte Manager Dierk Schmäschke, „so ein richtig großer Titel war für die SG unbedingt mal wieder notwendig. “Der Verein möge sich dadurch weiterentwickeln, wünscht sich Schmäschke, „mit Leidenschaft und einem sehr guten Trainer“. Denn über solche Möglichkeiten, wie sie Barcelona und Kiel besitzen, werde Flensburg auch künftig nicht verfügen.
Liebe SG, die Hauptsache am Wind: immer eine Handbreit Wasser über Kiel.