von Kay » 02.07.2008, 20:40
2. Juli 2008, 04:00 Uhr Von Jens Bierschwale Teurer Trainer belastet Kiel
Weil der Handball-Rekordmeister 1,4 Millionen Euro an Ablöse, Gehalt und Abfindung zahlen muss, bleibt kein Geld für Spielertransfers
Berlin - Köln als Wohnort einzutauschen gegen das weitaus kleinere und beschaulichere Kiel, hat im Hause Gislason ganz unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während sich Filius Andri (13) freut, weil er nach den bereits begonnenen Sommerferien in Nordrhein-Westfalen nun noch zu drei zusätzlichen freien Wochen in Schleswig-Holstein kommt, will Tochter Ada (17) partout nicht in den Norden ziehen. "Sie hat sich verliebt in Köln, möchte gern bleiben und hier ihr Abitur machen", sagt Alfred Gislason (47). Der Vater ist Auslöser der heftigen Wohnortdebatte im deutsch-isländischen Haushalt, seit er am Montag einen Vertrag beim THW Kiel unterschrieben hat. Doch die bevorstehende familiäre Trennung schreckt den Handballtrainer eher wenig angesichts der Tatsache, dass er nun mächtiger Bestandteil eines Transfers ist, der die Bundesliga in eine neue Dimension führt: Gislason musste aus seinem Vertrag beim VfL Gummersbach für knapp 700 000 Euro herausgekauft werden, in Kiel soll er 350 000 Euro Gehalt beziehen. Inklusive der 350 000 Euro Abfindung für den vergangene Woche geschassten Zvonimir Serdarusic umfasst die Kieler Trainerlösung 1,4 Millionen Euro. Das ist genau ein Fünftel des Klubetats in Höhe von sieben Millionen Euro.
Das in der Liga beispiellose Gebaren beobachten einige beim Meister und Pokalsieger inzwischen mit Argwohn. Denn genau genommen steckt nichts anderes als verletzte Eitelkeit hinter der teuren Trennung. Der Klub muss 1,4 Millionen Euro berappen, weil sich zwei Protagonisten nichts mehr zu sagen hatten. Binnen eines halben Jahres brach die einst mächtige Allianz zwischen Manager Uwe Schwenker und Trainer Serdarusic, nachdem die Partnerinnen der beiden Platzhirsche heftigst ihre Antipathien ausgetauscht hatten. Schwenkers neue Lebensgefährtin soll bei Mirjana Serdarusic nicht wohl gelitten gewesen sein, was die Trainergattin öffentlich unverhohlen kundgetan haben soll. Zu oft für Schwenker, der zunächst auf Deeskalation setzte, beim knorrigen Trainer und seiner Frau aber kein Gehör fand und schließlich die fünf Gesellschafter und acht Beiräte vor die Wahl stellte: Serdarusic oder ich. Das Votum der Kluboberen fiel einstimmig für den Manager aus, der Coach musste gehen. "Derzeit", sagt Schwenker, "gibt es keine Kommunikation. Aber ich hoffe, dass wir beide uns irgendwann wieder über Handball unterhalten und auch ein Bier zusammen trinken können." Ob das gesellige Beisammensein tatsächlich einmal zustande kommt, ist genauso fraglich wie die weitere Kaderplanung von Schwenker. Der Trainerrekordtransfer lässt wenig Spielraum für weitere Einkäufe. Im vergangenen Jahr noch zahlte Kiel für den Nordhorner Börge Lund und den Lemgoer Filip Jicha weit mehr als eine halbe Million Euro und verfeinerte den ohnehin schon exklusiven Kader. Dieses Jahr bleiben derartige Investitionen aus. Torhüter Andreas Palicka ist der einzige bislang feststehende Zugang. Im Ringen um Europas Krone mit dem mächtigen spanischen Spitzenklub Ciudad Real bedeutet dies einen Rückschritt.
Dass der sonst solide aufgestellte Verein nach der Posse nun gar in Schieflage geraten könnte, bestreitet zumindest Gesellschafter Georg Wegner vehement. "Wir werden das auffangen und nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen", sagt er und stellt höhere Sponsoreneinahmen in Aussicht. Auch ein Einstieg der dänischen Kasi-Gruppe sei noch nicht vom Tisch, erklärt Wegner, der seit Februar versucht hatte, die Privatfehde zwischen Manager und Trainer zu beenden - vergebens. "Es gibt keinen Zweifel, dass die ganze Geschichte dem THW einen gehörigen Imageschaden zugefügt hat."
Liebe SG, die Hauptsache am Wind: immer eine Handbreit Wasser über Kiel.